1970 - 1989
„eine Zeit pädagogischer Veränderungen …“
Z In den siebziger Jahren werden wichtige gesetzliche Reformen durchgesetzt. Auf der Ebene des Privatrechts wird das Ehe- und Familienrecht reformiert, was zu mehr Geschlechterdemokratie und Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann führt. Ein neues Nichtehelichenrecht beseitigt in wesentlichen Punkten die rechtliche Diskriminierung unverheirateter Mütter und ihrer Kinder. Kindern und Jugendlichen werden mehr Rechte zugestanden. 1975 erfolgt die Herabsetzung der Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre. 1979 tritt das „Gesetz zur Neureglung des Rechts der elterlichen Sorge“ in Kraft. Er sieht mehr Mitwirkungsrechte und einen verstärkten Schutz des Kindes vor und verabschiedet sich von der alten Vorstellung, dass ein Kind den Eltern gehorchen müsse. Stattdessen sollen „die Eltern auf den Willen und die Belange des einsichtsfähigen Kindes Rücksicht zu nehmen und Maßnahmen im Bereich der elterlichen Sorge mit ihm zu erörtern haben – mit dem Ziel, gegenseitiges Einverständnis herbeizuführen.“
C 1970–1974
Im Vinzenzwerk beginnt – zunächst in kleinen Schritten – eine Zeit pädagogischer Veränderungen. Betreuten in früheren Jahren noch ein bis zwei Erzieherinnen 15 bis 20 Kinder in elf altergegliederten Gruppen, so leben 1974/75 100 Kinder und Jugendliche in zehn Gruppen mit je drei Erziehern und einer Aushilfskraft für hauswirtschaftliche Arbeiten. Tätig sind: Eine Heimleiterin, 30 pädagogische Mitarbeiter und zehn Aushilfskräfte im Gruppenbereich (für hauswirtschaftliche Arbeiten), zwei pädagogische Fachkräfte für zwei EDL im gruppenübergreifenden Freizeitbereich, 14 Kräfte im Wirtschafts- und vier Kräfte im Verwaltungsbereich. Von den pädagogischen Mitarbeiterinnen sind 14 Ordensfrauen.
C 1975
Die Heimschule wird aufgelöst. Der Raummangel im Heim bleibt ein Dauerproblem. Der Pachtvertrag mit dem Bund, der immer nur um ein Jahr verlängert wird, hat zur Folge, dass Zuschüsse für Baumaßnahmen nicht gewährt werden. Der Plan, ein neues Kinderheim zu bauen, kann nicht verwirklicht werden.
C 1977
Für den Heimverbund im Raum Münster wird eine Diagnose- und Beratungsstelle gegründet, dem sich das Vinzenzwerk anschließt. Aufgabenschwerpunkte sind:
„1. Die Beratung der Heime bei der Situations- und Bedarfsanalyse, der Differenzierung der pädagogischen Angebote und der Vermittlung geeigneter Mitarbeiter.
2. Unterstützung und Weiterbildung der Mitarbeiter durch Hilfe bei der Aufstellung eines individuell ausgearbeiteten Erziehungsplanes für jedes einzelne Heimkind und Beratung des Erzieherteams.
3. Hilfe für das einzelne Heimkind, zum Beispiel durch gezielte Gruppenarbeit und Trainingsprogramme bei bestimmten Verhaltensauffälligkeiten.
4. Elternarbeit soll es ermöglichen, das Kind nach erfolgreicher heilpädagogischer Betreuung in ein soweit wie möglich gebessertes familiäres Milieu zurückgeben zu können. Weiter sollen Pflege- und Patenfamilien Hilfen angeboten werden.“
C 1980
Da der Mietvertrag mit dem Bund auf zehn Jahre ausgedehnt werden kann, gibt es Zuschüsse vom Landesjugendamt, die eine Renovierung des Haupthauses und der Gruppenhäuser ermöglichen.
C 1981–1988/89
Neue Wohnformen und Diagnosegruppen werden eingerichtet. 1981 und 1982 entstehen in Telgte und Münster die ersten zwei Außenwohngruppen, in der Kinder und Jugendliche in einer Wohnung leben und sozialpädagogisch betreut werden. 1987 entsteht eine weitere Außengruppe in Hiltrup, seit 1988 gibt es das sozialpädagogisch betreute Wohnen. Als ein neues Konzept im Diagnosebereich wird im November 1989 die „Wichtelgruppe“ (Drei- bis Sechsjährige) eingerichtet.